Erschließung – ein wichtiger Begriff
Für Diskussionen sorgt das Thema Erschließung meistens dann, wenn es um die Frage geht, ob ein Grundstück erschlossen ist, denn nur dann ist es nach dem Gesetz bebaubar. Oder der Streit geht darum, wer die Kosten der Erschließung trägt. Erschließung im baurechtlichen Sinne soll sicher stellen, dass ein Grundstück an die Netze für Wasser, Abwasser und Energie angeschlossen ist und aus dem öffentlichen Straßenland, beispielsweise für Feuerwehr und Müllabfuhr, erreichbar ist. Daran besteht ein öffentliches Interesse.
Damit sind wir bei den Straßen mit Erschließungsfunktion.
Sind die Grundstücke bereits bebaut, wie es im Bergmannkiez seit über 100 Jahren flächendeckend der Fall ist, so besteht gegenüber dem Straßenbaulastträger, meistens ist das die Kommune, ein Anspruch, die Erschließung aufrechtzuerhalten. Das gilt selbstverständlich auch dann, wenn die Straßen umgestaltet werden.
Aus technischer Sicht unterscheiden sich Erschließungsstraßen von Straßen mit Verbindungsfunktion zumeist dadurch, dass nicht die Fahrdynamik maßgeblich ist, sondern die Fahrgeometrie. Das bedeutet:
Mit kurzem Blick zurück: Wenn es vorrangig darum geht, schnell von A nach B zu gelangen, so baut man Straßen, die möglichst direkt verlaufen und mit hoher Geschwindigkeit befahren werden können: Eine fahrdynamisch trassierte Straßenoberfläche stellt sicher, dass ein schnelles Fahrzeug auch bei ungünstigem Wetter auf der Fahrbahn bleibt. Oft ist außerdem noch eine hohe verkehrliche Leistungsfähigkeit, d. h. Kapazität für viele Fahrzeuge gefordert, damit kein Stau entsteht.
Will man in der Stadt nur Grundstücke erschließen und nicht repräsentative Boulevards anlegen, so wird man mit dem wertvollen Baugrund sparsam umgehen. Fahrgeometrische Trassierung heißt, die Fahrbahnen so zu dimensionieren, dass die vorgesehenen Fahrzeuge durchpassen – notfalls langsam fahrend und an Ausweichstellen aufeinander wartend. Und selbst dann stoßen Erschließungsstraßen häufig an feste Grenzen. Je älter ein Stadtteil ist, desto beengter sind erfahrungsgemäß die gegebenen Platzverhältnisse. Denken wir an die schattigen Gassen mancher mediterranen Städte, wo man mit den Händen gleichzeitig rechts und links das Mauerwerk berühren kann.

Die Berliner Friedrichstadt ist ein frühes Beispiel für eine groß angelegte planmäßige Erschließung zur Stadterweiterung.

Ausschnitt südliche Friedrichstadt mit Rondell (heute Mehringplatz)
Gegen Ende des 19. Jahrhunderts, als in Berlin die Tempelhofer Vorstadt mit dem heutigen Bergmannkiez entstand, wurden nach dem Fluchtlinienplan von James Hobrecht (1862) sowie dessen Detaillierungen und Erweiterungen bereits recht großzügige Straßenräume angelegt.

Ausschnitt mit der Akzisemauer (Stadtmauer) am oberen Bildrand, Gneisenaustraße mittig
Der Bergmannkiez gehört zwar zu den Gebieten mit der höchsten Bebauungs- und Bevölkerungsdichte in Deutschland, aber die Straßenräume, insbesondere die Fahrbahnen sind deutlich breiter, als es selbst im Automobilzeitalter erforderlich wäre. Das ist kein Luxus. Obwohl die hohe Dichte der entscheidende Faktor für den von vielen geschätzten urbanen Charakter dieses Kiezes ist, ist es nicht nur für Sonnenlicht und Luftaustausch wichtig, im umkämpften öffentlichen Raum der Stadt mehr als nur das verkehrstechnische Minimum an Platz zu haben. Die Frage ist eben, was man am sinnvollsten damit anfängt.
Wir sollten uns genauer ansehen, wie wir das Erschließungsstraßennetz im Bergmannkiez nutzen.

Grundlage (bearbeitet): Geoportal Berlin / Gebäude im INSPIRE-Datenmodell
Bei allen geplanten Veränderungen gilt jedoch: Die Erschließung muss gesichert sein. Dabei ist auch der qualitative Anspruch an eine leichte Erreichbarkeit der vorhandenen Nutzung legitim – für den Bierlaster ebenso, wie für den Notarzt. Infrastrukturnetze sind so alt, wie die Stadt selbst und für ihr Funktionieren unverzichtbar.

Nach einer Sperrung im übergeordneten Straßennetz klemmt es auch im Bergmannkiez